Ein Blick zurück auf 1 Jahr Pandemie

Das Jahr 2020 war ein Krisenjahr, auch abseits der Pandemie. Eine Wirtschaftskrise entzündete sich im Februar 2020 an den Altlasten der Subprime-Krise 2008 und eines Machtkampfs der ölfördernden Länder. Diese Wirtschaftskrise hätte auch ohne Covid-19 spürbare Folgen gehabt, wurde aber wegen der Unsicherheiten der Pandemie verstärkt.

Gleichzeitig war die Reaktion der meisten Staaten auf die Pandemie ein schlecht getarntes Umverteilungsprogramm – die verwundbarsten Teile der Gesellschaft, Temporärarbeiter*innen, Geringverdienende, Scheinselbständige, Arbeiter*innen mit Nullstundenverträgen und befristeten Verträgen oder in halblegalen Anstellungsverhältnissen wurden kaum oder gar nicht geschützt, während die Unternehmen massiv gestützt wurden. Die Folge war, dass die Reichen massiv profitiert haben: Ende 2020 hatten die 300 reichsten Einwohner*innen der Schweiz zusammen 707 Milliarden Franken – so viel wie nie zuvor. Auf der anderen Seite gerieten viele Geringverdienende in die Schuldenfalle.


Staatsversagen

In dieser Krise versagte auch die staatliche Antwort auf Pandemie und Wirtschaftskrise. Die Worte des Bundesrats, dass nun Solidarität gefragt sei, verhallten ohne tatsächliche Taten von Seiten der Regierung. Im Bereich der Arbeit(slosigkeit) verschlimmerte die Krise nur bereits bestehende Probleme. Arbeiter*innen wurden schlicht im Stich gelassen. Jene Menschen, welche vorher ohnehin am Arsch waren, stecken nun tief in Problemen. Während Branchen mit starker Lobby wie z.B. die Luftfahrt mit Milliarden gerettet werden, erhalten die Massen an Arbeiter*innen auf Abruf keinen Rappen. Menschen, welche aufgrund rassistischer Gesetze schwarz arbeiten müssen, stehen in kilometerlangen Schlangen vor den Essensabgaben. Gegen ihre Bosse können sie sich kaum wehren, denn ihnen droht die Ausschaffung wenn ihre Arbeit auffliegt. Letzteres gilt auch für die Scheinselbstständigen auf Baustellen, im Reinigungssektor etc.

Gleichzeitig fällt auf, dass die essentiellen Berufe in dieser Krise sich auch dadurch auszeichnen, dass sie von den verachteten und Benachteiligten in diesem System ausgeübt werden: Menschen der Arbeiter*innenklasse, Migrant*innen, Frauen. Sei dies nun im Gesundheitsbereich, Transport, Detailhandel, Reinigung etc. Es wurde ein weiteres Mal klar, dass unsere momentane Gesellschaft nicht jene Arbeit schätzt - sprich gut bezahlt und behandelt - welche notwendig ist.

Bild: Ein Beispiel für die essentiellen Berufe: Der Bedarf an Fahrradkurrier*innen nahm besonders bei den Restaurantschliessungen zu. Der Lohn ist jedoch immer noch beschissen.

 

Der Schweizer Mittelweg hat versagt


Wurde dadurch wenigstens die Pandemie bekämpft? Wurde "die Wirtschaft" gerettet? Der Schweizer Mittelweg hat es geschafft, beides nicht zu tun. Wir hatten einige der höchsten Zahlen an Neuinfektionen, die Spitäler sind seit Monaten am Anschlag, ganze Branchen stehen vor dem aus, viele Arbeiter*innen wissen nicht, wie sie die kommenden Monate überstehen sollen oder ob sie überhaupt noch eine Arbeit haben werden. Dieser Mittelweg führt auch immer wieder zu sich widersprechenden Aussagen oder Handlungen durch die Regierung.

 

Pandemiebekämpfung und Staat


Die Bekämpfung einer noch unbekannten Pandemie kann nur über einen möglichst weitgehenden Unterbruch der menschlichen Kontakte passieren. Ohne Impfung kann die Ansteckung und ohne Medikament kann die Krankheit ansonsten nicht vermieden werden. Dies gilt in jeder Gesellschaftsform und die einzige Alternative ist, hohe Todeszahlen in Kauf zu nehmen.

Das heisst nicht, dass staatliche Massnahmen unhinterfragt akzeptiert werden müssen, nur weil mit Pandemiebekämpfung argumentiert wird. Gerade im letzten Jahr wurden viele Angriffe auf die Lohnabhänigen gefahren, entweder unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung oder aber die neuen Gesetze und Parlamentsbeschlüsse wurden gezielt so kommuniziert, dass sie in den Nachrichten zu Corona untergingen. Beispiele dafür sind etwa die im November 2020 vom Bundesgericht gelockerte Beschränkung der Wohnungsmieten oder das im Herbst vom Parlament beschlossene "Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)", welches den Sicherheitsorganen das Recht gibt, Verdächtige ohne Beweise und nur nach Gusto der Behörden "präventiv" zu inhaftieren.

 

Nährboden für Verschwörungstheorien


Für viele westlichen Gebiete ist die Pandemie etwas noch nie Dagewesenes in ihrem Leben. Eine bedrohliche Situation, die nicht in unsere Erzählung von einer vollkommen regulierbaren Umwelt passt. Die Pandemie und ihre Bekämpfung bedroht direkt unsere Existenzen. Aber eben nicht die Existenzen aller - den Reichen geht es nicht schlechter: Wir sitzen alle im gleichen Sturm, jedoch nicht im gleichen Boot. Genau diese Ungleichheiten sind nun ein Nährboden für die Verschwörungstheorien, welche auch dieses Jahr massiv an Zulauf gewonnen haben. Seien dies Q-Anon oder Querdenken, sie alle geben "Antworten" und "Erklärungen" zu teilweise tatsächlichen Problemen. Das in so einer Situation nach Antworten gesucht wird, ist logisch und dass die Erklärungen von Staat und Elite in dieser Situation keinen Glauben geschenkt wird, ist auch nachvollziehbar. Der Anstieg der Verschwörungstheorien während Lockdown und danach können unter anderem so erklärt werden.

Wir müssen uns aber auch klar sein, dass auch die Linke eine Mitverantwortung für den Anstieg der Verschwörungstheorien und rechter Gesinnung tragen. Sie hat sich viel zu lange in Subkulturen und rein akademischen Diskursen eingebunkert. Wenn der Kontakt zu den Mitmenschen nicht gesucht wird, wird er auch nicht entstehen. Die Linke ist sehr gut darin herablassend davon auszugehen, dasss sie die Wahrheit hat und alle anderen unwissend sind. Sich dann ausschliesslich unter den "Erleuchteten" zu tummeln ist der einfache Weg, aber keine politische Arbeit. Die öffentliche Meinung wird nicht in eine andere Richtung gehen, wenn im Vorherein alle abgelehnt werden, die nicht die gleichen Wörter benützen oder sich von selbst den verlangten Codes unterwerfen. Es sollte darum gehen die Herzen und Verstände möglichst vieler zu gewinnen und das ist ein langer und manchmal steiniger Weg, aber nur so kann die öffentliche Meinung beeinflusst werden - und wenns die Linke nicht tut, freut sich die Rechte über das leichte Spiel.

 

Spürbarer Anstieg der Arbeitlosigkeit


Die gegenwärtige Lage zeigt sich auch in den Arbeitslosenzahlen. Ende Dezember 2020 waren 163’545 Menschen beim RAV angemeldet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Arbeitslosigkeit um 39,5%. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit fällt auf, diese stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 42,8%.

Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten: Die Arbeitslosenquote erfasst nur diejenigen Arbeitslosen, welche bei den RAV gemeldet sind. Alle, die ihren Job nicht ausüben konnten und Kurzarbeit erhielten, sind nicht erfasst. Ebenso alle, die ausgesteuert sind, also Sozialhilfe beziehen oder von ihrem Ersparten leben, sind nicht in diesen Zahlen enthalten.

Bild: Die Pandemie hat viele Jobs gekostet. Die Behandlung auf den Ämtern ist jedoch weit von Solidarität entfernt.


Arbeitsbedingungen in der Pflege


Nach Jahren der Sparpolitik und der Kürzungen steht in dieser Krise der Pflege das Wasser bis zum Hals. Medial werden die seit Jahren andauernden schlechten Arbeitsbedingungen durch die Krise sichtbar. Doch was ist der Dank für die ausserordentlichen Leistungen der Angestellten des Gesundheitsbereichs? Ein Dankeschön und etwas Applaus wirkt höhnisch in Anbetracht der Opfer, die erbracht wurden. Arbeiter*innen schränkten den Kontakt zu ihrem sozialen Umfeld ein, nur um wegen noch schlechteren Bedingungen ihre Gesundheit zu opfern. Doch weshalb? Das Gesundheitspersonal trägt die Konsequenzen einer Politik, die den Profit der Bosse über alles stellt. Doch nicht nur das Pflegepersonal war stark unter Druck. Die Medien berichteten nicht von dem ebenso schuftenden Reinigungskräften, die ebenso stark gefährdet sind, mit dem Coronavirus infiziert zu weden. Zudem war die schon von anhin körperlich sehr belastende Arbeit noch härter, da die Schaffung von mehr Betten auch einen grösseren Berg an Arbeit darstellt. Die Liste der Berufe, die eine gewaltige Erhöhung der Arbeitsbelatung hatten, geht noch weiter. So mussten tausende Tests von Laborant*innen ausgewertet werden. Assistenzärzt*innen machen die Arbeit, die von den Ärzt*innen nicht bewältigt werden können.

Bild: Trotz Klatschen hat sich kaum etwas verbessert in der Pflege. Die Lage wurde vielmehr noch schlimmer.


Doch wie soll das finanziert werden?


Die Aussage, wir hätten nicht genügend Ressourcen zur Verfügung erscheint wie ein Witz. Besonders wenn die Reichsten noch reicher werden, während Viele Existenzsorgen haben oder Burn-outs erleiden.

Budgetkürzungen für die Pflege in kantonalen Einrichtungen hängt mit der (neo)-liberalen Idee zusammen. Eine kantonale Einrichtung soll wie ein Unternehmen geführt werden. Somit wird das Nötigste gemacht, dass diese Einrichtung möglichst profitabel ist oder wenigstens sowenig wie möglich kostet. Das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Gesundheit wird zur Ware, mit der Profit gemacht werden soll. Um die Kosten zu senken, werden möglichst wenige Arbeiter*innen beschäftigt. Somit können Lohnkosten eingespart werden. Dies wird solange gemacht, bis sich das Personal zur Wehr setzt.

Andererseits sind auch viele Gesundheitsbetriebe privat organisiert. Dort ist die Logik eine einfache. Wenn weniger Kosten verursacht werden, steigert dies den Profit der Leute, die den Betrieb besitzen.

 


Auf diese Entwicklung können nur kollektive Antworten gegeben werden, organisiert können wir erreichen, dass während einer Pandemie auch die Arbeitsplätze geschlossen werden und wir eine existenzsichernde Entschädigung erhalten: Alleine sind wir wehrlos, gemeinsam sind wir stark!


Forderungen

  • Einstellung aller nicht-essenziellen wirtschaftlichen Aktivitäten und aller Bildungseinrichtungen bis die Fallzahlen bei unter 500 Neuansteckungen pro Tag sind.
  • Finanzielle Unterstützung der Arbeiter*innen und Unternehmen durch den Bundesstaat, solange letztere durch behördliche Anordnung schliessen müssen.
  • Existenzsicherndes Grundeinkommen (4'000 CHF x 13); bis zu dessen Einführung Kurzarbeitsentschädigung in voller Höhe des normalerweise ausbezahlten Lohns für alle mit Löhnen unter Median.
  • Sofortige Abschaffung von 0-Stunden-Verträgen
  • Abschaffung der Temporärarbeit, bis dahin Kurzarbeit auch für Temporärarbeiter*innen
  • hohe Bussen für Arbeitgeber*innen bei Scheinselbständigkeit
  • Rückwirkende Unterstützung für Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, Regularisierung der Sans-Papiers jetzt

Freie Arbeiter*innen Union Bern

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